Selbstverletzung, sexuelle Übergriffe und Hunger im Frauentrakt des Sepidar-Gefängnisses – Die Hölle ist genau hier

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Moya Yarrahi

Seine Liebe hält mich fest...!

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Die Menschenrechtsorganisation Karun hat kürzlich in einem Bericht den Frauentrakt des Sepidar-Gefängnisses in Ahvaz als „stillen Friedhof der Frauen“ bezeichnet – ein Ort, an dem weder nach Delikten getrennt wird noch die meist arabischen Insassinnen Zugang zu den elementarsten Lebensstandards anderer iranischer Gefängnisse haben.

IranWire hat mit zwei ehemaligen Insassinnen gesprochen, die im Frauentrakt des Sepidar-Gefängnisses untergebracht waren, das sich am Ansar-Boulevard in Ahvaz befindet. Sie berichten von erschütternden Zuständen für rund 400 Frauen: systematischer Hunger als Folter, Verabreichung von Psychopharmaka sowie verbale und körperliche sexuelle Übergriffe, insbesondere gegen arabische Frauen während der Verhöre in der Haftanstalt des Geheimdienstes in Ahvaz.

Laut den vorliegenden Informationen herrscht in diesem überfüllten Trakt, der aus zehn Abteilungen besteht, ein solches Maß an Elend, dass fast täglich ein oder zwei Frauen versuchen, sich das Leben zu nehmen. Abwasser fließt durch die Zellen, viele Gefangene leben in extremer Armut, der Gefängniskiosk ist leer oder unbezahlbar teuer – viele leiden an Hunger und Mangelernährung.

Eine der Frauen, die im Alter von 14 Jahren sechs Monate dort einsaß, berichtet, dass sie aufgrund der psychischen Folter starke und anhaltende Blutungen hatte, aber nur ein kleines Paket Hygieneartikel pro Monat erhielt. Die Wärterinnen forderten sie auf, stattdessen Stofflappen zu verwenden.

Eine andere erzählt von ihrer Zellengenossin, die fröhlich und lebhaft im Gefängnis ankam, jedoch durch starke Beruhigungsmittel derart sediert wurde, dass sie nur noch zum Essen kurz wach war – die restliche Zeit verschlief sie vollständig.

Selbst innerhalb der Frauenzellen gilt Kopftuchzwang. Die Frauen müssen lange, weite Kleidung tragen, an Morgenappellen teilnehmen und die Nationalhymne singen sowie die Flagge der Islamischen Republik ehren, um überhaupt Frühstück zu erhalten.


Sepidar – Eine Kaserne unter dem Zwang des Hidschabs

Laut IranWire besteht der sogenannte Andarzgah-e-Nesvan (Frauentrakt) aus zehn kleinen Zellen für je 20 bis 22 Frauen – tatsächlich sind viele dieser Zellen mit bis zu 40 Personen völlig überbelegt. Besonders in Zeiten der Proteste in Khuzestan wurden zahlreiche junge Frauen und Mädchen in das Gefängnis gebracht und mussten mangels Betten monatelang auf dem Boden schlafen.

Auch innerhalb des Trakts, in dem ausschließlich Frauen anwesend sind, gilt strengster Hidschab-Zwang. Morgens vor dem Frühstück müssen sich die Frauen aufstellen, die Hymne singen und die Flagge grüßen – ein tägliches Ritual wie in einer Kaserne.

Ein Insider berichtet auch von restriktiven Regeln zur Kommunikation zwischen Gefangenen, insbesondere wenn politische Gefangene inhaftiert sind. Ihnen wird bewusst der Kontakt zu langjährigen politischen Häftlingen untersagt. Auch bei Angehörigen der Bahai-Religion galt diese Praxis. Hinzu kommt: Mädchen im Alter von 14–15 Jahren werden mit Mörderinnen in denselben Zellen untergebracht – eine klare Missachtung der Deliktstrennung.

Die ehemalige politische Gefangene Sepideh Gholian beschreibt in ihrem Buch „Tilapia trinkt das Blut des Hoor-al-Azim“ ähnliche Zustände: „Umarmungen waren verboten – aber unsere Herzen schlugen füreinander.“ Bei einem Transport wurde sie kurzerhand aus ihrer Zelle geholt, während sie Tee mit Brot trank.

Die Namen Fatemeh Mirzaei (Leiterin des Frauentrakts) und Fatemeh Neisi (zuständig für „Erziehung“) werden mehrfach als Verantwortliche für diese entwürdigenden Zustände genannt. Beide wirken aktiv daran mit, die Realität der Gefangenen gegenüber Justizbesuchern zu verschleiern.


Hunger, Beruhigungsmittel, Abwasser im Trakt – Blut auf den Fluren

Laut den Berichten ist das tägliche Essen minimal: einmal in der Woche Yatimcheh (eine Art Eintopf), ein weiteres Mal Bohnen oder Nudeln, und zwei Mal im Monat gibt es Huhn – wenn man Glück hat, landet ein Stück Fleisch auf dem Teller. Zwei Lavashbrote pro Tag müssen für Frühstück, Mittag- und Abendessen reichen. Obst gibt es überhaupt nicht.

Eine ehemalige politische Gefangene erzählt: „Psychische Erkrankungen sind allgegenwärtig. Sagst du, dass du nicht mehr kannst, kriegst du eine Handvoll Pillen. Eine Mitgefangene, Mutter und von ihrem Kind getrennt, bekam so starke Medikamente, dass sie nur schlief – teils zwei Tage am Stück. Früher war sie lebensfroh. Am Ende wusste sie nicht einmal mehr, welcher Wochentag war.“

Täglich, so berichtet ein anderer Zeuge, versuchen Frauen durch Selbstverletzung, sich das Leben zu nehmen: „Die Flure waren oft blutverschmiert. Sie wurden danach in die Krankenstation oder nach draußen zum Nähen gebracht. Die psychische Belastung ist extrem hoch.“

Auch mit überlaufenden Toiletten und Fäkalien mussten die Frauen leben – das Abwasser floss regelmäßig durch die Zellen. Die Kombination aus Armut, Hunger, Isolation und hygienischer Katastrophe lässt die Situation als unmenschlich erscheinen.

Sexuelle Gewalt, ansteckende Krankheiten – das Erbe von Sepidar

Im Sepidar-Gefängnis wird die Deliktstrennung systematisch missachtet. Frauen, die etwa aufgrund unbezahlter Schulden oder kleinen Vergehen inhaftiert wurden, teilen sich Zellen mit Mörderinnen. Eine Zeugin berichtet, dass Frauen, die aufgrund von außerehelichen Beziehungen oder Prostitution verhaftet wurden, von den Wärtern permanent verbal erniedrigt wurden – mit Spitznamen wie „Madame Chefin“.

Eine 25-jährige Gefangene schilderte, wie sie während der Verhöre geschlagen und sexuell missbraucht wurde – der Ermittler habe ihr die Brust gedrückt. Als sie sich beim Richter beschwerte, hieß es nur: „Du lügst.“

Die Fragestellungen während der Verhöre seien teils so entwürdigend gewesen, dass sie selbst als Form sexuellen Missbrauchs gelten könnten.

Hinzu kommt, dass Frauen mit ansteckenden Krankheiten wie Hautkrankheiten, Tuberkulose oder Hepatitis nicht getrennt untergebracht werden. „Gesund kommst du rein, krank gehst du raus“, sagt eine Betroffene. Viele Frauen müssen ihre Kinder mit ins Gefängnis nehmen. Psychisch Kranke werden zeitweise in psychiatrische Kliniken gebracht, dann aber wieder zurück ins Gefängnis verlegt.


Zwei Telefone für 400 Frauen

In einem Propagandavideo der Staatsmedien über einen Besuch von Ensieh Khazali, stellvertretende Frauenbeauftragte unter Präsident Raisi, äußerte sie, es sei „erfreulich, dass es so wenige weibliche Gefangene gibt“. Im Staatsfernsehen behauptete sie zudem, die Zustände in iranischen Gefängnissen seien „besser als in Studentenwohnheimen“.

Tatsächlich jedoch gibt es im Frauentrakt von Sepidar nur zwei Telefone für 400 Frauen – sie befinden sich in einem Raum, der meist um 15 Uhr abgeschlossen wird. Jeden Tag bilden sich lange Warteschlangen, damit Mütter wenigstens ein paar Minuten mit ihren Kindern sprechen können. Dabei wird jede Unterhaltung von einer Vertrauensperson belauscht und an die Gefängnisleitung weitergegeben.

Auch andere Grundbedürfnisse sind den Frauen vorenthalten. Es gibt keinen Kühlschrank, der Gefängniskiosk öffnet nur zweimal im Monat und verkauft dann zu zehnfachen Preisen. Ein Paket Binden, das draußen 2.000 Toman kostet, kostet drinnen 20.000. Eine damals 14-jährige ehemalige Insassin berichtet von anhaltender Blutung durch psychischen Stress, aber kaum Zugang zu Hygieneartikeln. „Sie sagten mir, ich solle Stoff verwenden.“

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