Sie drohen, sie machen Versprechungen, damit du schweigst – und dann hinrichten sie deinen Liebsten

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Moya Yarrahi

Seine Liebe hält mich fest...!

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Weniger als 48 Stunden vor der Hinrichtung ihres Sohnes „Pedram Madani“ trat seine besorgte Mutter vor die Kamera.
Sie sprach über das „unklare Verfahren“, den „Pflichtverteidiger“ ihres Sohnes und die Tatsache, dass das vom Revolutionsgericht Teheran ausgesprochene Todesurteil vom Obersten Gerichtshof aufgehoben worden war. Mit Verweis auf den Tod ihres Ehemanns – der an Kummer über die Inhaftierung des Sohnes verstorben war – appellierte sie an „Gerechtigkeit und Fairness“ der Justiz und bat darum, ihrer Familie nicht noch einmal solch einen Schmerz zuzufügen.

Doch nur Stunden später, bei Morgendämmerung am Mittwoch, dem 28. Mai 2025, wurde Pedram Madani hingerichtet – ein Softwareingenieur, den die Justiz der Islamischen Republik der „Spionage für Israel“ beschuldigte.


Wie bringen Sicherheits- und Justizorgane der Islamischen Republik Familien bis zuletzt zum Schweigen?

Was wissen wir über Pedram Madani und seinen Fall?

Quellen von IranWire berichten, dass Pedram Madani ein 41-jähriger Informatiker mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz war. Inhaftierte kannten ihn als ruhigen, stets lächelnden Mann. Im Sommer 2019 wurde er mit dem Vorwurf der „Spionage für Israel“ festgenommen – wegen angeblicher „Identifizierung und Weitergabe militärischer Infrastrukturen“. Mehr ist über den Fall nicht bekannt.

Ehemalige Zellengenossen berichten sporadisch in sozialen Medien über ihn. Der französische Ex-Häftling Olivier Grondeau, der über zwei Jahre im Evin-Gefängnis inhaftiert war, warnte in einem Video vor der bevorstehenden Hinrichtung und sagte: „Wir haben freitags Pizza gegessen – er lächelte immer, obwohl er viermal zum Tode verurteilt wurde.“

Trotz der Hinrichtung gab es stundenlang kein einziges Bild von Pedram – bis die Menschenrechtsorganisation „Zentrum zur Unterstützung der Menschenrechte“ ein Schwarzweißfoto von ihm auf Instagram veröffentlichte. Dieses Bild bleibt bis zum Zeitpunkt dieses Berichts das einzige öffentlich zugängliche Foto von ihm.

Die wenigen bekannten Informationen stammen größtenteils aus einem Video seiner Mutter vom Tag vor der Hinrichtung, dem 27. Mai. Darin sagte sie: Pedram sei 41 Jahre alt, Vater eines Kindes, und beide Eltern seien Lehrer gewesen, die dem Land jahrelang gedient hätten.

Sie bezeichnete ihren Sohn als gläubig, heimatliebend und fromm. Sie erklärte, sein Vater sei beim Gebet gestorben – vom Schmerz der Inhaftierung des Sohnes. Sie betonte, dass Pedram keinen frei gewählten Anwalt hatte – und selbst mit Pflichtverteidiger sei das Urteil im Obersten Gerichtshof aufgehoben worden. Dies zeigt, dass ihm selbst der Zugang zu einem ordentlichen Rechtsbeistand verwehrt war.

In den vergangenen Jahren gab es zahlreiche Berichte über die systematische Ablehnung von Wahlverteidigern – insbesondere von Menschenrechtsanwälten – bei Prozessen gegen politische Gefangene oder Personen mit sicherheitsrelevanten Vorwürfen.

Weitere Berichte über Pedram:

Der Regisseur Mohammad Rasoulof, selbst ehemals inhaftiert, schrieb auf Instagram:
„Sie haben Pedram Madani hingerichtet. Bei Gott, das war staatlich legitimierter Mord. Dieser Junge hatte so viel Hoffnung auf Freilassung. Jedes Mal, wenn seine Vernehmer kamen, ging er mit einem Lächeln. Sie hatten ihm gesagt: ‚Mach dir keine Sorgen, wir wissen, dir wurde Unrecht getan – wir klären das.‘ Dreimal wurde das Todesurteil im Obersten Gerichtshof aufgehoben. Dreimal! Das bedeutet, man darf ihn eigentlich nicht hinrichten. Er war so gutherzig. So hoffnungsvoll, ins Leben zurückzukehren.“

Er fügte hinzu, dass Madani so sehr getäuscht wurde, dass seine Mutter nicht einmal ein Bild von ihm veröffentlichen wollte – aus Angst, dass es gegen ihn verwendet wird. „Dieses System hat immer noch Durst nach Blut und seine Opfer sind die Stillsten, Wehrlosesten, Namenlosesten.“

Rasoulof schreibt, er habe Pedram mehrmals in der Schreinerei der Abteilung 4 des Evin-Gefängnisses gesehen – stets mit einem Lächeln, sodass er nie glaubte, sein Urteil sei so schwer. Erst vor wenigen Tagen hörte er, dass Pedram in das Gefängnis Ghezel-Hessar zur Vollstreckung überführt worden sei. Auch Louis Arnaud, ein ehemaliger französischer Häftling, nannte Pedram seinen „Schreinerlehrer“.

Die Sicht der Behörden:

Die staatliche Nachrichtenagentur Mizan, ein Sprachrohr der Justiz, titelte:
„Pedram Madani, Spion des zionistischen Regimes, wurde gehängt.“

Laut Mizan habe er mehrere Auslandsreisen unternommen – u. a. nach Berlin, Brüssel und Israel – und sei nach geheimdienstlicher Schulung mit dem Ziel zurückgekehrt, Informationen über Sicherheitsinfrastruktur an seinen „Offizier“ über ein sicheres Kommunikationssystem zu übermitteln.

Mizan beschreibt ihn abschätzig als „Vernichteten“ (ein gängiger Ausdruck für Hingerichtete mit abwertender Konnotation) und beschuldigt ihn neben der Spionage auch der „illegalen Bereicherung“ durch Devisen und Kryptowährungen. Die Verhaftung soll 2020 erfolgt sein.

Ein mit dem Fall vertrauter Informant sagte gegenüber IranWire, dass es kaum Informationen zu diesem Fall gebe, aber vieles darauf hindeute, dass Pedram – wie viele politische Gefangene – kein faires Verfahren hatte: monatelang kein Besuchsrecht, kein gewählter Anwalt.

Warum hörten wir erst kurz vor der Hinrichtung von Pedram Madani?

Laut dem Informanten wurden Pedram und seine Familie von den Vernehmern gezielt getäuscht:
„Man sagte ihnen, er werde bald freigelassen – daher hielten sie den Fall geheim. Pedram durfte monatelang keine Familie sehen. Danach wurden sie bedroht: Wenn ihr redet, bringen wir ihn um. Dann machten sie Versprechungen: Wenn ihr schweigt, wird er freigelassen.“

Er berichtet, dass das Todesurteil dreimal vom Obersten Gerichtshof aufgehoben wurde – zunächst ausgestellt von Richter Salavati (Abteilung 15). Beim vierten Anlauf wurde es bestätigt. Diese Entwicklung habe die Familie in falscher Hoffnung gelassen.

Vor rund drei Monaten habe sogar der Vernehmer Pedram im Gefängnis aufgesucht und ihm geraten, einen Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen – mit der Zusicherung, alles werde „gerichtet“. Stattdessen wurde er plötzlich ins Ghezel-Hessar-Gefängnis überstellt – kurz darauf folgte die Hinrichtung.

Der Informant erklärt, dass diese Methode der erzwungenen Stille gängige Praxis bei Sicherheitsorganen sei: Familien ohne politischen Hintergrund, oft ohne rechtliches Wissen, würden mit Versprechen und Drohungen mundtot gemacht. Auch familiäre Abhängigkeiten vom Staat – wie bei Lehrer:innen – könnten sie einschüchtern, da ein Interview das Gehalt gefährde.

Auch die Medien im Iran berichteten nur selten – vor allem bei Spionagevorwürfen gegen Israel –, oft mit Verweis auf angebliche „journalistische Einschränkungen“. Selbst Familien würden solche Anklagen aus Scham oder Angst verschweigen.

Vergleichsfall: Mohsen Langar-Neshin

Ein weiterer junger Gefangener, der vor Kurzem wegen angeblicher Spionage für Israel hingerichtet wurde, ist Mohsen Langar-Neshin. Auch bei ihm gab es erst kurz vor der Hinrichtung spärliche Informationen. Langar-Neshin war ein IT-Sicherheitsexperte.

Wie IranWire berichtet, hatte seine Familie – aufgrund von Sicherheitsdruck und Versprechungen – nicht einmal Verwandten erzählt, dass er in Haft sei. Man sagte, er sei „im Ausland“.

Ihre Rechte:

Der Rechtsberater von IranWire, Mousa Barzin, sagt, dass Angst, Drohungen, Versprechungen sowie kulturelle Scham Familien oft zum Schweigen bringen.

Er betont:
„Viele informieren selbst nach der Hinrichtung nicht. Besonders in politischen Verfahren warnen Behörden oft: Wenn ihr redet, gefährdet ihr das Verfahren.“

Laut Barzin ist eine öffentliche Berichterstattung nicht strafbar – weder vor noch nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens. Selbst wenn der Fall offiziell als vertraulich eingestuft wird, dürfe die Familie Grundinformationen teilen: „Zum Beispiel: ‚Der Fall unseres Kindes liegt beim Gericht vor‘ – das ist rechtlich kein Problem.“

Er stellt klar:
„Die Veröffentlichung ist kein Verbrechen, sondern sogar empfehlenswert. Gerichtsurteile – ob erstinstanzlich oder in Revision – sind nicht geheim. Selbst wenn es vertrauliche Aktenstücke gibt, ist das Urteil öffentlich und darf veröffentlicht werden.“

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