Behrouz Asadi – Das Verdienstkreuz für ein halbes Jahrhundert Menschenrechtsarbeit

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Moya Yarrahi

Seine Liebe hält mich fest...!

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Behrouz Asadi, Menschenrechtsaktivist, hat das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Als er mir diese Nachricht eine Woche vor der offiziellen Verleihung telefonisch mitteilte, freute ich mich von Herzen für ihn und gratulierte.

Wer Behrouz Asadi kennt und seine Nummer im Handy gespeichert hat, weiß: Kein Tag vergeht, ohne dass er eine Nachricht, eine Erklärung, einen Aufruf oder einen Artikel verschickt. Jedes Mal fügt er ein Begleitschreiben hinzu – adressiert an deutsche Behörden oder Politiker –, in dem er auf die Menschenrechtsverletzungen im Iran hinweist und ihre klare Stellungnahme fordert.

Wer in Deutschland lebt und ihn kennt, weiß auch: Jeden Samstag organisiert er eine Protestkundgebung gegen die Todesstrafe. Doch seine Menschenrechtsarbeit, für die er nun das höchste Ehrenzeichen eines anderen Landes trägt, beschränkt sich nicht auf Kundgebungen oder Zeremonien im Ausland.

Ich lernte ihn vor Jahren kennen, als ich Flüchtlingslager in Europa besuchte: Damals fuhr er sein Auto voll mit Schlafsäcken, Decken und Medikamenten bis zu den griechischen Inseln, um sie Geflüchteten zu bringen.

Nach der „Jin, Jiyan, Azadî“ (Frau, Leben, Freiheit)-Bewegung wurde er zu einer Zuflucht für Opfer und ehemalige politische Gefangene. Er half vielen, nach Deutschland zu kommen, begleitete sie Schritt für Schritt – sowohl bei ihrer medizinischen Behandlung als auch bei ihrem Neustart in der Gesellschaft.

Das Bundesverdienstkreuz wird an Personen verliehen, die sich in besonderer Weise um die Menschlichkeit und das Gemeinwohl verdient gemacht haben.

Die Begründung für Behrouz Asadis Auszeichnung: 50 Jahre unermüdlicher Einsatz für Migranten und Geflüchtete sowie für den interkulturellen Dialog.

Zwischen den Verwundeten der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“

Monatelang dokumentierte ich die Schicksale der Opfer der „Frau, Leben, Freiheit“-Bewegung. Nach der brutalen Niederschlagung und der Flucht vieler Betroffener ins Ausland tauchten ihre Geschichten plötzlich in Europa auf.

Eines Tages sah ich auf Instagram zwei bekannte Gesichter – nun in Deutschland, an der Seite von Behrouz Asadi. Ich rief ihn an. Ohne Zögern sagte er:

„Komm her – die jungen Leute wollen Interviews geben.“

Wir reisten nach Deutschland, in ein Kulturzentrum der katholischen Kirche in Mainz. Er stellte uns den Saal für die Interviews zur Verfügung und unterstützte uns in jeder Hinsicht.

In seiner Nähe spürt man eine alte, selten gewordene Form von Kameradschaft und Aufrichtigkeit.

Erinnern gegen das Vergessen

Im Hof des Kulturzentrums steht ein Holzboot. Behrouz zeigte darauf und erzählte:

„So ein Boot hatte mein Bruder auch auf einem Foto. Er widmete sein Leben dem Schutz der iranischen Umwelt. Sein Name war Hormoz Asadi. Er starb bei einem Autounfall – bis heute wissen wir nicht, ob es wirklich ein Unfall war.“

Gegenüber des Bootes befindet sich ein kleiner Garten, in dem Asadi für jede Opfergruppe des iranischen Regimes einen Baum gepflanzt hat – für Mahsa (Jina) Amini, die Opfer des ukrainischen Flugzeugabschusses, die Mütter von Khavaran und viele andere.

Jeden September findet dort eine Gedenkfeier zum Massaker von 1988 statt – zur Erinnerung an die hingerichteten politischen Gefangenen. Ich hörte den Namen Behrouz Asadi zum ersten Mal bei genau dieser Veranstaltung – vor vielen Jahren.

⚕️ Hilfe für die Opfer von Repression und Gewalt

Seit dem Aufstand von 2022 hat sich seine Arbeit auf die Augenverletzten der Proteste konzentriert – Menschen, die durch Schrotkugeln ihr Sehvermögen verloren.

Er überprüft die Fälle, spricht mit Ärzten, schreibt an deutsche Behörden, organisiert humanitäre oder medizinische Visa, begleitet Betroffene zu Ämtern und sogar bis vor den Operationssaal.

Sein Engagement begann bereits als Student – in den turbulenten Jahren vor der Revolution, als iranische Studierende im Ausland die Konföderation iranischer Studenten gründeten, um die Kämpfe des Volkes zu unterstützen. Viele von ihnen kehrten nach 1979 zurück, wurden jedoch inhaftiert oder hingerichtet. Andere wurden von rivalisierenden linken Gruppen als „Agenten des SAVAK“ diffamiert. Jede dieser Biografien erzählt eine eigene Geschichte.

Behrouz Asadi lebt seit 45 Jahren im Exil.

„Ich habe versucht, die Stimme derer zu sein, die Gerechtigkeit suchen – damit die Verbrechen des Regimes nicht vergessen werden“,
sagt er.

Auch er glaubte 1979 an Freiheit und Unabhängigkeit – doch das neue Regime brachte nur Unterdrückung und Blutvergießen.

 Angriff der Hisbollah-Anhänger in Mainz (1982)

Wir besuchten gemeinsam den Ort eines Anschlags, den er nie vergessen hat.

Am 24. April 1982, um 6:15 Uhr morgens, stürmten Anhänger des Regimes – iranische Hisbollahis – das Studentenwohnheim in Mainz, schlugen die Exilaktivisten brutal zusammen, bis die Polizei eingriff.

Laut Asadi war dies der erste Angriff pro-iranischer Gruppen auf Exiliraner in Europa nach der Revolution. Einer der Anführer soll Kazem Darabi gewesen sein, später als Hauptangeklagter im berühmten „Mykonos-Prozess“ in Berlin zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die Last des Exils

Die Gewalt des iranischen Regimes endet nicht an den Landesgrenzen. Auch im Ausland lebende Aktivisten sind psychisch schwer belastet.

Asadi erzählt von einem Tag, an dem er eine Familie aufnahm – der Vater hatte bei den Protesten beide Augen verloren.

„Der Arzt sagte, er wird nie wieder sehen. Ich war tagelang krank vor Schmerz.“

Er sagt:

„Wenn ein Arzt einem Opfer mitteilt, dass es für immer blind bleibt, bricht etwas in mir zusammen. Aber ich darf nicht aufgeben – sonst verlieren sie auch die Hoffnung.“

Mehrmals erlitt er selbst Zusammenbrüche und musste ins Krankenhaus. Doch sein Telefon schweigt nie.

Im ersten Jahrestag der Bewegung „Frau, Leben, Freiheit“ schwamm die Professorin und Extremschwimmerin Raha Akhavan 48,5 km rund um Manhattan – im Gedenken an Mahsa Amini und die Augenverletzten der Proteste.

Das gesammelte Geld übergab sie Behrouz Asadi, der damit die Operation eines erblindeten Mannes finanzierte und ihm einen intelligenten Blindenstock beschaffte.

Die Ideale eines Exil-Aktivisten

Asadi sagt, die Grundlage seines 50-jährigen Engagements seien „Widerstand und Beharrlichkeit“.

„Meine Familie erträgt mich – ich bin nie zuhause“,
sagt er mit einem Lächeln.

Auf die Frage nach seinem größten Wunsch antwortet er mit geschlossenen Augen:

„Die Freiheit Irans. Die Freiheit aller politischen Gefangenen. Und die Abschaffung der Todesstrafe – damit kein Mensch mehr hingerichtet wird.“

Ein Leben zwischen Mainz und Varamin

Behrouz Asadi wurde 1955 in Varamin geboren und wuchs in Isfahan auf. Sein isfahanischer Akzent ist bis heute hörbar, besonders in Momenten von Freude, Zorn oder Trauer.

Er studierte Naturwissenschaften und Pädagogik an der Universität Mainz sowie Soziale Arbeit und Krisenmanagement an der Universität Frankfurt.

Politisch engagierte er sich in der Konföderation iranischer Studenten und später in den Iranian Democratic Organizations Abroad. Heute ist er Sprecher der Vereinigung „Frau, Leben, Freiheit“ in Deutschland.

Er sagt:

„Meine Motivation schöpfe ich aus der persönlichen Erfahrung des Exils – aus dem Wissen um das Leid der Vertriebenen. Ich sehe das nicht als Last, sondern als menschliche Verantwortung: die Stimme der Stimmlosen zu sein und unermüdlich für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten.“

Als ich diesen Text beendete, hörte ich seine Stimme auf dem Anrufbeantworter.

Am selben Abend, an dem er das Bundesverdienstkreuz erhielt, verschickte er eine neue Petition:

Forderung nach einer unabhängigen UN-Untersuchungskommission zu den Massenhinrichtungen in iranischen Gefängnissen.
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