Seine Liebe hält mich fest...!
Zwei Tage vor seinem 44. Geburtstag wurde er im Iran verhaftet – als er freikam, war er 52. Siamak Namazi, ein iranisch-amerikanischer Staatsbürger, war acht Jahre lang Geisel der Islamischen Republik Iran. Fast zwei Jahre nach seiner Freilassung berichtet er nun erstmals in einem vierstündigen Interview mit Hossein Razaq in der Sendung Studio Pat über das, was ihm widerfahren ist – und das in erschütternder Offenheit.
Namazi beschreibt nicht nur die brutale Realität der Gefangenschaft, sondern offenbart auch mit scharfem Humor die Absurditäten und die erschütternde Inkompetenz seiner Vernehmer. Sein Bericht ist ein Zeugnis des systemischen Sadismus und der intellektuellen Verwahrlosung innerhalb des iranischen Sicherheitsapparats.
Auf dem Weg ins berüchtigte Evin-Gefängnis erinnert sich Namazi:
„Als ich die Augenbinde aufsetzte, musste ich unwillkürlich lachen. Es war zwei Tage vor meinem Geburtstag. Im Jahr zuvor, am gleichen Tag, hatte meine Freundin mir eine Überraschungsparty organisiert – auch da trug ich eine Augenbinde. Doch diesmal ging es nicht zu Freunden, sondern in den Kerker eines Unrechtsregimes.“
Namazi schildert 27 Monate in Einzelhaft im Trakt 2A des Evin-Gefängnisses – ohne Zugang zu einer Toilette, ohne Besuche, ohne Telefonate, mit Misshandlungen und ständiger psychischer Folter:
„In der Winterkälte gaben sie mir keine warme Kleidung. Ich musste in meinem Gefängnispyjama und Hausschuhen hinaus. Einer der Vernehmer sagte zynisch: ‚Hätten Sie gedacht, dass Sie mich einmal wegen ein paar Socken brauchen würden?‘“
Immer wieder drohten ihm die Vernehmer mit Aussagen wie: „Sie kommen hier nicht raus, bevor wir nicht eine Million Dollar für Sie bekommen.“
Als Donald Trump Präsident wurde, hörte Namazi:
„Dieser Präsident ist Geschäftsmann. Er wird mehr für Ihre Freilassung zahlen.“
Fünf Monate nach seiner eigenen Verhaftung nahmen die Behörden auch seinen 80-jährigen Vater fest – und konfrontierten Namazi auf grausame Weise mit dieser Nachricht:
„Sie führten mich um 21:30 Uhr zum Verhör, schalteten das Licht aus und zeigten mir auf einem Laptop ein Bild meines Vaters – mit verbundenen Augen, in Gefängniskleidung, in einer anderen Zelle.“
Die psychische Folter intensivierte sich: Man sagte ihm, sein Vater sei schwer herzkrank und werde sterben, wenn er sich weiterhin weigere zu kooperieren. Als Namazi den Vernehmer körperlich angriff, verlor er drei Wochen lang jede Verbindung zur Außenwelt.
Namazi betont, dass er keine normale Inhaftierung durchlebte, sondern als politische Geisel festgehalten wurde – ein Faustpfand in den diplomatischen Machtspielen der Islamischen Republik.
Sein Appell an US-Präsident Joe Biden, ihn freizulassen, beschreibt er rückblickend als „zutiefst demütigend“:
„Ich bin ein Kind des Iran – und doch war ich gezwungen, meine Adoptivmutter anzuflehen, mich freizukaufen, weil meine eigene Mutter mich unterdrückt.“
Trotz aller Verbote verfasste Namazi im Gefängnis eine handschriftliche Klageschrift gegen den berüchtigten Revolutionsrichter Abolqasem Salavati – geschmuggelt in seiner Unterhose. Als seine Kleidung bei der Durchsuchung durchsucht wurde, fiel das Schreiben wie ein Tampon aus seinem Pyjama. Doch er bestand darauf, seine Verteidigung selbst vorzutragen – und tat es schließlich auch.
„Mir wurde weder Stift noch Papier erlaubt. Also hob ich Papierband von Verpackungen auf, um darauf schreiben zu können.“
Nach dem Atomabkommen (JCPOA) wurde Namazi am 13. Oktober 2015 verhaftet – wenige Tage vor Inkrafttreten der Vereinbarung im Iran. Erst acht Jahre später, am 27. September 1402 (iranischer Kalender), wurde er im Rahmen eines Gefangenenaustauschs freigelassen – gegen vier Personen, darunter Emad Sharghi und Morad Tahbaz.
Die Islamische Republik erhielt dafür die Zusage über sechs Milliarden Dollar – vermittelt durch Katar. Doch nach dem Hamas-Angriff auf Israel am 15. Oktober 2023 fror die US-Regierung das Geld wieder ein. Namazi betont:
„Kein einziger Cent davon ging an die Islamische Republik.“
Besonders harsch kritisiert Namazi den damaligen Außenminister Javad Zarif, den er als „Geiselnehmer im diplomatischen Gewand“ bezeichnet. Zarif, der sich öffentlich unwissend über Namazis Fall gab, hatte in Wahrheit bereits mit dessen Mutter über die Misshandlungen gesprochen – unter Begleitung eines IRGC-Agenten.
Namazi schildert haarsträubende Erlebnisse mit seinen Vernehmern:
Sie warfen ihm vor, als Amerikaner „Inder getötet und versklavt“ zu haben. Oder: Er sei für den Bevölkerungsrückgang im Iran verantwortlich.
In einem Verhör sprach er das Wort „دول“ („Staaten“) versehentlich mit einer umgangssprachlichen Betonung aus, die im Iran für das männliche Geschlechtsorgan steht – ein Lapsus, den der Staatsanwalt nicht verzieh.
Als der Druck am größten wurde, entschied sich Namazi, CNN heimlich aus dem Gefängnis zu kontaktieren. Über ein geborgtes Handy eines Mitgefangenen rief er direkt bei Christiane Amanpour an. Seine Botschaft:
„Wenn man als Geisel im Gefängnis vergessen wird, ist das Einzige, was einem bleibt: Risiken eingehen.“
Siamak Namazi beschreibt die iranische Justiz als ein System der „staatlich organisierten Geiselnahme“ – eine Menschenhandelsmaschinerie unter dem Deckmantel der Rechtsprechung.
Sein Leben nach der Haft ist geprägt von posttraumatischen Belastungen. Er sucht Arbeit, versucht, seine Vergangenheit zu verarbeiten – doch der Schmerz sitzt tief. Er vermisst seine Familie, seine Heimat – und kann nicht zurück, solange das Regime besteht.
„Im Gefängnis sieht man die tiefsten Abgründe menschlicher Moral. Doch manchmal auch die schönsten Menschen.“